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Verbesserungen (Optimierungen) in der Robotik durch modellbasierte Regelungs- und Steuerungsprozesse

Mirko Borich, softMC Project Manager, Servotronix Motion Control

Die dynamische Modellierung von Robotern ist eine in wissenschaftlichen Kreisen bereits seit vielen Jahren bekannte Methode. Sie dient in der Robotik und in technischen Versuchszentren üblicherweise als Instrument zur Erforschung und Entwicklung humanoider Roboter sowie moderner Regelungs- und Steuerungsalgorithmen, Bewegungssimulationen und anderer wissenschaftlicher Fragestellungen und Lösungsansätze. Die dynamische Modellierung umfasst die Entwicklung mathematischer Formeln zur Beschreibung der dynamischen Eigenschaften des Roboters: Trägheit, Masse, Massenschwerpunkt und andere schwer zu messende Parameter. Obwohl die dynamische Modellierung in der theoretischen Forschung weit verbreitet ist, haben Entwickler und Hersteller von Industrierobotern sie als Verfahren zur Verbesserung der Regelungs- und Steuerungseigenschaften von Robotern bisher mehr oder weniger außer Acht gelassen.

Servotronix erkannte bereits vor Jahren, welches Potenzial die dynamische Modellierung für die Lösung von Leistungsproblemen bieten könnte, die bei einem Hersteller von Hochgeschwindigkeits-Delta-Robotern für die Halbleiterindustrie aufgetreten sind.

Die in Handlingsystemen von Solar-Wafern eingesetzten Roboter mussten höchsten Ansprüchen hinsichtlich Beschleunigung und Präzision genügen. Durch seinen konstruktionsbedingten fragilen Aufbau war der Delta-Roboter extrem bruchanfällig. Außerdem bestand das Risiko einer möglichen Kollision mit kostenintensiven Lasten und Werkstoffen, die hierdurch beschädigt werden konnten.


Der Delta-Roboter birgt das Risiko, sich selbst und die Last zu beschädigen.

Die Delta-Kinematik basiert auf mechanischen Parallelogrammen, die in einigen Systemen über Kugelgelenke mit der beweglichen Arbeitsplatte und den Oberarmen verbunden sind. Werden bestimmte Positionen oder Winkel überschritten, nimmt die Tragkraft, bei der es unweigerlich zum Bruch des Roboters kommt, drastisch ab. Dies bedeutet, dass der Roboter bei einer Kollision oder einem starken Stoß oder Ruck leicht zerstört werden kann. Noch komplizierter wird dieses Szenario dadurch, dass die Bruchgrenzen in der Regel bei ausgestreckten Roboterarmen und damit bei ohnehin größerer Kollisionsgefahr, schneller erreicht werden. Bleibt eine solche Kollision nach dem Bruch des Roboters unentdeckt, nimmt das potenzielle Risiko weiterer Schäden sogar drastisch zu.

Um all diese Nachteile und Risiken in den Griff zu bekommen und eine bessere Regelung und Steuerung von Delta-Robotern zu gewährleisten, haben die Ingenieure bei Servotronix ein dynamisches Modell verwendet und perfektioniert, dessen Ursprünge in der wissenschaftlichen Forschung wurzeln.

Das Ergebnis dieser Arbeit, ist ein Bewegungsmodell bzw. sind Algorithmen, die den Delta-Roboter beschreiben, wobei dies nur einen Teil der Komplexität der Lösung widerspiegelt.

Das Modell ist universell einsetzbar. Die tatsächlichen Parameterwerte variieren, da Roboter sich hinsichtlich Größe und Gewicht unterscheiden. Auch wenn die Roboterkinematik gleich bleibt, ändern sich die physikalischen Eigenschaften. Selbst in ein und derselben Fertigungsserie können sich geringfügige Unterschiede in den physikalischen Eigenschaften der einzelnen Roboter und damit in deren Leistung ergeben.

Nach erfolgter Modellierung des Robotersystems müssen für die dynamischen Parameter präzise Werte ermittelt werden. Servotronix ist dies durch Entwicklung zusätzlicher Algorithmen und eines automatisierten Identifikationsprozesses für kinematische und dynamische Parameter gelungen.

Während einige Parameter, wie z.B. die geometrischen Abmessungen der Roboterarme, leicht zu messen und in die Formel einzubinden sind, werden andere Parameter, beispielsweise der Massenschwerpunkt jedes Roboterarms, mit Hilfe der automatisierten Parameteridentifikation bestimmt.

Während des Identifikationsprozesses wird der Roboter willkürlich bewegt. Dabei werden die Werte der dynamischen Parameter über die Servotronix-Identifikationsalgorithmen bestimmt. Sowohl innere wie auch äußere Faktoren – wie Form, Werkstoff, Reibung etc. – fließen in die Berechnungen mit ein.

Nach dem Erfolg der modellbasierten Regelung und Steuerung von Delta-Robotern entwickelte Servotronix dynamische Modelle auch für andere Robotertypen wie SCARA-Roboter, 4-Achsen-Linearroboter und den 5-Achsen-GSR-L (Galileo Sphere Robot Light). Das Unternehmen erkannte, dass die stetig steigenden Forderungen nach höherem Durchsatz, schnelleren Geschwindigkeiten und niedrigeren Kosten mit Hilfe der dynamischen Modellierung erfüllt werden konnten.

Umsetzung des dynamischen Modells am 5-Achsen-GSR-L
(Galileo Sphere Robot Light)

Durch Einsatz der dynamischen Modelle konnten Servotronix-Kunden die Ausregelzeit reduzieren und die trajektorenbasierte Bewegungsregelung und -steuerung verbessern. Ein Zusatznutzen dieser Lösung ist die Verschleißerkennung auf Grundlage der im Laufe der Zeit auftretenden Veränderungen der mechanischen Parameter, insbesondere des Reibungskoeffizienten.

Die errechneten Drehmomentwerte ermöglichen eine nahezu präzise Vorhersage des gefilterten Drehmoments entsprechend dem Drehmomentfehler.

Die modellbasierte Regelung und Steuerung ist nun ein integraler Bestandteil des Mehrachs-Motion-Controllers softMC von Servotronix. Seine Leistungsstärke basiert im Wesentlichen auf einem Echtzeit-Motion-Bus-System. Dank der EtherCAT-Lösung kann der Mehrachs-Motion-Controller softMC von Servotronix Antriebswerte im Millisekundenrhythmus aktualisieren. In jedem Muster sendet der Kontroller an den Antrieb und empfängt vom Antrieb Soll- bzw. Istwerte des Drehmoments sowie Standard-Positions- und Geschwindigkeitswerte. Der softMC ist in der Regel mit dem Servotronix-Servoverstärker vom Typ CDHD verbunden. Dieser kann so konfiguriert werden, dass das benötigte Drehmoment als zusätzlicher Wert, d.h. zusätzlich zu dem vom Antrieb selbst berechneten Drehmoment, empfangen wird.

Die Mehrachs-Motion-Controller softMC 3 und softMC 7 (links nach rechts) von Servotronix mit modellbasierter Regelung und Steuerung und Echtzeit-Motion-Bus EtherCAT

Wie am Beispiel des Delta-Roboters deutlich wurde, liegt der unmittelbare Nutzen der modellbasierten Regelung und Steuerung in der Kollisionserkennung und -vermeidung. Das Ergebnis ist ein verbesserter Schutz der Lasten, des Arbeitsbereichs und nicht zuletzt der Mitarbeiter. Kraftsensoren werden überflüssig. Dies vereinfacht die Systemauslegung und spart Kosten.

Der bedeutendste Vorteil dieser Regelungs- und Steuerungsmethode liegt jedoch in einem verbesserten Roboterverhalten und einer besseren Antriebsleistung. Die Bewegungsbahnen werden stark optimiert, da sich das zum Erreichen der vorgesehenen Positionen erforderliche Drehmoment präziser errechnen und regeln bzw. steuern lässt. Der benötigte Strom ist glatter, da er errechnet wird und nicht einfach das Ergebnis einer Rückkopplungsschleife ist. Dies verbessert auch die Geschwindigkeitsregelung und reduziert Stromausschläge bzw. Stromspitzen.

Durch die Einschätzung der Drehmomente und Kräfte, die während der Bewegung auf den Roboter wirken, und die Vermeidung übermäßig hoher Drehmomente, kann die Robotergeschwindigkeit einfach und sicher erhöht werden. Gleichzeitig lassen sich Schwingungen und Ausregelzeiten reduzieren. Abschließend ist festzustellen, dass die modellbasierte Regelung und Steuerung schnellere und präzisere Roboterbewegungen ermöglicht und den Durchsatz steigert.

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